Dienstag, 9. September 2014
Wer bin ich?
Ich habe diese Woche noch Urlaub und genieße gerade mein entschleunigtes Leben. Es ist halb 2 Uhr nachmittags und außer zwei mal frühstücken und Zähneputzen habe ich noch nichts gemacht. Also sitze ich hier im Schlabberlook und lasse meinen Gedanken freien Lauf... und hoffe, dass niemand klingelt, denn den Kamm habe ich heute auch noch nicht in der Hand gehabt.
Vor kurzem habe ich in einem Buch folgenden Satz entdeckt "Wer bin ich, wenn keiner zuguckt?" Tut man vieles nur deshalb, weil es von einem erwartet wird? Oder aus Gewohnheit? Wie wäre man, wenn man überhaupt keinen Zwängen unterliegen würde? Ich finde diese Fragen höchst interessant. Gerade heute, wo keiner etwas von mir möchte und ich keinen Anspruch an diesen Tag habe.
Tja...und wer bin ich nun? Ich bin Hanni, 42 Jahre alt, glücklich verheiratet, Steuerfachangestelle mit Leidenschaft, schwanger... ach, das ist doch alles Quatsch. Wie beschreibt man sich, wenn man auf solche Floskeln verzichten würde? Ich hasse es, wenn sich jemand so vorstellt. Was sagt schon der Familienstand oder die Anzahl der Kinder über einen Menschen aus? Gar nichts.
Also nochmal...Wer bin ich? Das ist gar nicht so einfach zu sagen, denn schließlich ist vieles nur eine Momentaufnahme und hängt vom Betrachter ab, also zu subjektiv für eine Beurteilung. Grundsätzlich bin ich ein positiver Mensch. Bei mir ist ein Glas halb voll und nicht halb leer. Doch nicht immer. Manchmal hänge ich in einem Loch und sehe alles ziemlich düster. Das kenne ich z.B. aus den dunklen Zeiten meiner Beziehung oder von den vielen Seitenhieben der Kinderwunschgeschichte. Aber ich habe gelernt, dass diese dunklen Momente dazu dienen, mich als Mensch zu formen und meinen Horizont erweitern. Ich bin gesellig und doch auch gerne alleine. Ich bin humorvoll und verstehe manchmal doch keinen Spaß. So eine Frage ist wirklich schwer zu beantworten.
Aber eigentlich wollte ich ja noch einen Schritt weiter gehen. Wer bin ich, wenn keiner zuguckt? Bin ich wirklich so ein positiver Mensch? Welchen Weg hätte ich eingeschlagen, wenn niemand etwas von mir erwartet hätte?
Wenn ich auf mein Leben zurückblicke...ja, das darf man auch mit 42 Jahren schon machen...muss ich sagen, ich würde nichts anders machen. Ich habe oft genug Entscheidungen getroffen, die ICH für richtig befunden habe. Ich habe selten auf andere gehört und oftmals auf Ratschläge gepfiffen, vor allem, wenn sie ungefragt erteilt wurden. Viele meiner Entscheidungen haben sich als richtig herausgestellt. Meine Eltern haben mich zur Selbständigkeit erzogen. Danke Mama...Danke Papa. Vieles war mutig, aber zur damaligen Zeit genau richtig. Wir sind durch Costa Rica gereist und meine Vorbereitung bestand darin, dass ich mir selbst per Kassette Spanisch beigebracht habe. Ich bin Fallschirmgesprungen und bin am Gummiseil aus 50 Metern Höhe in einen See gehüpft. Das habe ich damals nicht gemacht, um anderen zu beweisen, wie mutig ich bin, sondern um selbst meine Grenzen zu finden. Ich habe mich damals, entgegen aller Meinungen, mit meinem heutigen Schatz eingelassen. Ich war 17 und er schon 25 Jahre alt. Das war mir damals wurst und ist es auch heute. Manches war unnötig. So wie die Dauerwelle in den frühen 90ern. Aber lassen wir das.
Viele Sachen musste ich erst lernen. Es ist z.B. nicht schlimm, wenn der Garten, sagen wir mal, natürlich aussieht. Ja, es ist schöner, wenn alles gepflegt ist, aber meine Bohnen sehen auch nicht anders aus, wenn sie im Unkraut wachsen. Genauso musste ich lernen, mit Stress umzugehen. Auch wenn ich ohne Zwänge leben würde, würde ich vermutlich trotzdem arbeiten WOLLEN. Mein Beruf macht mir Spaß. Doch wenn die Termine drücken, tja...dann ist es eben so. Es geht nur eines nach dem anderen. Davon lass ich mich nicht stressen. Aber was mich viel Überwindung gekostet hat, war zu lernen, um Hilfe zu beten. Dieses Eingeständnis zur Schwäche war für mich besonders schwer. Aber es hat sich gelohnt. Gemeinsam erreicht man manchmal eben doch mehr.
Habe ich nun diese Dinge alle aus einem Zwang heraus gemacht? Bin ich z.B. den langen Kinderwunschweg gegangen, weil unsere Gesellschaft das einfach erwartet? Hochzeit...Haus...Kind? Genau das habe ich mich lange Zeit gefragt. Gehe ich den Weg nur weil es eben von mir erwartet wird oder möchte ich das wirklich? Aber auch hier meine ich, hat sich mein eigenes Wesen durchgesetzt. Wenn ich der üblichen Erwartungshaltung gerecht geworden wäre, hätte ich nicht erst nach 14 Jahren Beziehung in Australien geheiratet. Nein, das tut man nicht. Ok, das Haus war eine Vernunftsentscheidung. Aber auch nur, weil wir hier tun können, was wir möchten und nicht was die Hausordnung verlangt. Ja und das Kind? Habe ich tatsächlich 7 Jahre meines Lebens damit verbracht, einem Zwang der Gesellschaft zu folgen? Nein, das war mein mir eigens auferlegter Zwang. Mein steter Wunsch, etwas von mir...etwas von meiner Lebenseinstellung...weiterzugeben. Das und meine Art, mir nichts vorschreiben zu lassen, hat mich so weit gebracht. Diese ICSI wäre meine letzte gewesen. Egal wie sie geendet hätte. Der Ausgang war einfach pures Glück.
Trotz all dieser Fakten, kann ich vermutlich meine ursprüngliche Frage nicht beantworteten. Ich weiß nicht, was aus mir, bzw. wer aus mir geworden wäre, wenn im Laufe meines Lebens nie ein Zwang bestanden hätte. Hätte ich die Schule abgeschlossen? Hätte ich einen Beruf erlernt? Oder wäre ich als verlauster Backpacker durch die Weltgeschichte gereist, weil mir die Gesellschaft zu spießig erschienen wäre? Keine Ahnung. Fakt ist, dass ich heute sagen kann, dass mein Leben gut ist, so wie es ist. Ich bin schon neugierig auf den Rest davon.
Stellt euch mal diese Frage. Es ist wirklich nicht einfach, eine eindeutige Antwort zu finden. So...ich glaube, ich habe für heute genug philosophiert und stelle mich nun wieder der Realität. Der allgemeine Zwang der Gesellschaft verlangt nach einer Dusche.
Bis bald mal wieder
Eure Hanni
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Der Beitrag gefällt mir sehr gut und am Ende musste ich mich kurz etwas Schrott lachen "Der allgemeine Zwang der Gesellschaft verlangt nach einer Dusche." Geilo! So, jetzt ziehe ich mich mal zurück und überleg mal, was ich auf diese Frage antworten könnte. Dankfür den Anstoß! Kathi
AntwortenLöschenPuuh. Gar nicht einfach diese Frage zu beantworten. Da muss ich direkt mal anfangen zu grübeln...
AntwortenLöschenGLG
Hanni, das ist wirklich ein toller Beitrag, der auch mich zum Nachdenken anregt. Mehr fällt mit dazu zwar gerade nicht ein, aber das muss es ja auch nicht. Ich habe deinen Post trotzdem schon zweimal gelesen.
AntwortenLöschenLiebe Hanni, das ist ein toller Text, der wirklich zum nachdenken anregt...Danke dafür...Lg Nina
AntwortenLöschenHanni ich liebe es deinen blog zu lesen, oft regen mich deine Worte zum nachdenken an. Ich mag deine Art dich auszudrücken und finde dich einfach toll.
AntwortenLöschenmusste ich mal los werden
liebe grüße
angi