Samstag, 8. November 2014

Eine von den andern


Irgendwie war ich schon immer eine von den anderen. Erst war ich eine ohne Kinder unter lauter Mamis und nun bin ich eine Schwangere unter ungewollt Unschwangeren. Und in beiden Rollen ist es schwer, seinen Platz zu finden.

Früher, ganz viel früher, da war es einfach. Alle waren ohne Kind, ständig auf Achse, ungebunden und frei. Dann kam die Zeit, in der andere Kinder bekamen und ich mir noch gar nicht vorstellen konnte, irgendwann einmal diese Rolle zu bekleiden. Das war auch noch einfach. Doch irgendwann begann es kompliziert zu werden.

Mein eigener Kinderwunsch stellte sich ein. Erst ganz zart. Mein Motto war immer "Was kommt, das kommt...und was nicht kommt, kommt halt nicht". Damit konnte ich ganz gut leben. Denn schließlich bin ich niemals davon ausgegangen, irgendwelche Probleme zu bekommen. Das ging ein paar Jahre ganz gut. Doch die Anzahl der Mamis im Verhältnis zu den Nichtmamis um mich herum stieg enorm. Mein Kinderwunsch wuchs mit meinen Lebenjahren immer weiter an. Doch blieb ich Zaungast beim Mamiland. Ich wurde eine von den anderen.

Wie man sich dabei fühlt, ist schwer zu beschreiben. Und es ist ja auch von der Situation abhängig. Bei guten Freunden konnte ich mich stets mitfreuen und war niemals...wirklich niemals...neidisch. Ich habe mich über alle wachsenden Bäuche gefreut und auch später die kleinen Wesen bestaunt ohne im Hinterkopf zu haben "Warum die und nicht ich". So ein Typ bin ich wohl nicht. ABER, was ich ganz schlimm fand, war Ausgrenzung. Es tat unheimlich weh, wenn jemand sagte, "Du hast ja keine Ahnung, wie das ist", oder wenn jemand sagte, "Das kannst du nicht nachvollziehen". Klar konnte ich das nicht nachvollziehen und hatte keine Ahnung. Aber muss man, um Anteil zu nehmen, immer schon einmal alles erlebt haben? Kann man nicht trotzdem MITfühlen wenn z.B. eine angehende Mama erzählt, sie habe Angst um Kind oder Partner?  Tut es nicht manchmal sogar gut, eine "unparteiische" Meinung zu hören? Scheinbar nicht, denn oft tragen die Bewohner des Mamilandes allzugerne Scheuklappen und akzeptieren Zaungastmeinungen nicht wirklich...oder lächeln gar nur müde über einen, denn man hat ja überhaupt keine Ahnung.

So blieb ich viele Jahre Zaungast. Regte mich über Filme auf, in denen Frauen nach einer Affaire ungewollt schwanger wurden oder las in der Zeitung von Kindesmisshandlungen. Sah in der Fussgängerzone HartzVI-Mamis rauchend den Kinderwagen schieben oder regte mich über Schwangere auf, die über Kleinigkeiten jammerten weil sie z.B. nicht mehr joggen gehen konnten. Trotz all dem freute ich mich, wenn gute Freunde schwanger wurden und war froh, daran etwas teilnehmen zu dürfen.

Irgendwann trat ich vom Zaun zurück und fragte mich, was das alles soll. Warum gibt es immer die und die? Es gibt doch in allen Bereichen solche und solche... Schwanger oder nicht schwanger...Mutter oder nicht Mutter...krank oder gesund...reich oder arm...Männlein oder Weiblein... Yin und Yang...und irgendwo dazwischen gibt es mich. Mit Standardkategorien hatte ich schon immer meine Probleme, denn es gibt nicht nur schwarz und weiß, dazwischen ist unheimlich viel grau.

Ich entfernte mich immer weiter vom Zaun, bis ich schließlich bereit war, mich auf ein Leben ohne Kind einzulassen. Ich sage jetzt nicht, dass ich ein Leben ohne Kind gelebt habe. Nein, davon war ich weit entfernt. Doch wollte ich den Gedanken zulassen. Mein letzter Wunsch auf dem Kinderwunschweg war es, nur noch einmal einen Transfer zu schaffen. Nur noch einmal mich auf alles voll und ganz einzulassen. Auch wenn um mich herum alle schon abgewunken haben, ICH brauchte diesen Transfer. Mir war bewusst, dass sich damit von nun an mein Leben ändern würde. Die Richtung kannte ich noch nicht, aber ich wusste, dass sich etwas bewegt. Ich war bereit in beide Richtungen zu laufen. Als mir nach dem Transfer diese Vorstellung so real wurde, habe ich hemmungslos weinen müssen.

So...und nun? Nun bin ich wieder eine von den anderen und bin genauso unsicher wie damals. Jetzt habe ich die Grenze passiert und sehe liebe Menschen über den Zaun blicken. Menschen, die jetzt "nur" Zaungast sind. Ich sehe, wie sie leiden und kann nichts tun. Ich freue mich für mich selbst, dass der Schlagbaum für mich aufgegangen ist. Aber es tut mir im Herzen weh, auf liebe Menschen zurückzublicken, die an der Grenze stehen bleiben. Was kann ich denn jetzt machen? Ich rede über Themen, die Nichtmamis nicht nachfühlen können. Ich spüre Hanni und Manni täglich in mir und weiß, dass sie das nicht nachvollziehen können.

Aber ich werde nicht den Fehler begehen, euch auszuschliessen. Ihr gehört genauso inzwischen zu meinem Leben, wie nun eben auch das Thema Schwangerschaft. Ich werde versuchen, euch teilhaben zu lassen. Ich werde versuchen, euch mitfühlen zu lassen, so gut es geht, wenn ihr das wollt. Ich werde weiterhin über meine Schwangerschaft bloggen. Ich werde auf eure Meinung zählen, auch wenn ihr nicht unmittelbar betroffen seid. Ich werde versuchen, die Zeichen zu deuten und wenn es zuviel für euch wird, einfach wertungsfrei meine Klappe halten. Das Leben hat mehr zu bieten als nur Kinder, Kinderwunsch und Schwangerschaft. Es gibt auch noch sonst viele Dinge, die einen verbinden können.

Liebe Grüße
Eure inzwischen ganz schön dicke Hanni

6 Kommentare:

  1. Hanni, du sprichst mir aus der Seele! Bei meinen engen Freunden fühle ich mich dazugehörig, ich bin meist sogar die einzige im Mamiland (ja, ich werde hin und wieder mit reingeschmuggelt) und fühle mich da pudelwohl! Aber (und da merke ich dann wieder, dass ich eben doch eher vor dem Zaun bin) das ist eben nur bei meinen Liebsten so. Ich möchte unbedingt von deinen Königskindern, deinen Ängsten und Sorgen, deinen Erfahrungen und lustigen Momenten lesen! Und ich danke dir, dass du Nicht-Mamis wie mich hin und wieder auch einfach mit rein schmuggelst ;) Ich drück dich fest!

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  2. Liebe Hanni,
    ich freue mich unheimlich mit dir und ich möchte so gern alles alles von dir und deinen Babys lesen. Ich möchte mit dir mitfühlen. Auch wenn ich momentan am Zaun stehe.
    Mir geht es ein bisschen ähnlich wie dir...ich brauche diese ICSI, es wird die letzte sein...aber ohne sie wäre unser Weg nicht vollständig.
    Ich bin sehr froh, mit dir irgendwie verbunden zu sein. Danke dass du so viel mit uns teilst ♥

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  3. Liebe Hanni, dein Post sprüht vor lauter Einfühlungsvermögen, Rücksicht auf andere und Dankbarkeit, dass du beim wirklich letzten Versuch zu deinem sehnsüchtigen Ziel gekommen bist. Es ehrt dich, dass du an alle Zurückgelassenen denkst. Du wirst diesen harten Weg, den du gegangen bist und andere noch dabei sind zu gehen, nie vergessen und wirst dein Glück immer zu schätzen wissen. Alle Muttis, die sofort über den Zaun springen konnten, wissen ihr Glück oft nicht zu schätzen. Allein deswegen hast du es einfach verdient und alle Zaungäste gönnen es dir von Herzen. Denn du machst uns allen Mut und schenkst Hoffnung, dass am Ende alles gut wird. Lass es dir gut gehen und genieße deine Zeit. Viele Grüße von der auf dem Zaun balancierenden Frau Schwani ♥

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  4. Was für ein wunderschöner Post, vielen vielen Dank liebe Hanni.

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  5. Liebe Hanni,

    das hast du wunderschön geschrieben.
    Wenn ich gefragt wurde wie sich das alles anfühlt hab ich immer geantwortet mit: "Ich stehe in einer Warteschlange vor der Kasse... teilweise wurde die Schlange immer länger und ich wusste nicht, ob ich überhaupt noch bis vorne komme bevor das Schild aufgestellt wird 'Kasse geschlossen - nie die andere Kasse benutzen'. Was erwartet einen an der nächsten Kasse, wie lange muss man da anstehen und kommt man jemals vorne an?
    Am schlimmsten war es, wenn sich jemand vorgedrängelt hatte... ich hab es jedem gegönnt, trotzdem war es auch immer wie ein Fingerzeig nach dem Motto "Du nicht!"
    Jetzt, wo ich ganz vorne an der Kasse stehe, erst jetzt fällt mir bewusst auf, wie viele noch hinter mir stehen.
    Wie bei dir am Zaun.

    Danke, dass du deine Gedanken mit uns teilst.
    Lg

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  6. Ein wunderschöner, ehrlicher und einfühlsamer Post! Vielen Dank dafür, liebe Hanni! Liebe Grüße!

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